Die Mediengeschichte unter der skizzierten Perspektive in den Blick
zu nehmen, bedeutet, eine Reihe sehr etablierter Entwicklungsmodelle verabschieden
zu müssen. So greift es mit Sicherheit zu kurz, wenn die Theorie allein
den 'Stand der Technik' für die Medienentwicklung verantwortlich macht
und die Einzelmedien nach einem impliziten Fortschrittsmodell entlang einer
ansteigenden Linie aufgereiht sieht. Haupteinwand gegen diese Sicht wäre,
daß Mediengeschichte es sehr augenfällig nicht mit einer Technik
im Singular zu tun hat, sondern mit einer Pluralität konkurrierender
Techniken, die sehr unterschiedlichen Prinzipien folgen. Man wird insofern
davon ausgehen müssen, daß jedem Fortschreiten der Technik signifikante
Verluste gegenüberstehen und ein ganzes Bündel von Alternativen,
die die Entwicklung verfehlt, übergangen oder verworfen hat. Vor allem
die technik- oder kulturkritischen Ansätze haben solche Alternativen
immer wieder benannt.
Der zweite Komplex von Vorstellungen, der zumindest ebenso zweifelhaft
ist, sieht die Medienentwicklung durch technik- externe, gesellschaftliche
Funktionen bestimmt. Nach dieser These 'dienen' Medien z.B. der Kommunikation;
und weil Kommunikation etwas gutes ist, erscheint es selbstverständlich,
daß die Medien einander überbieten und in der historischen Abfolge
immer mehr Kommunikation, Kommunikation über weitere Strecken, bequemer
oder mit einer größeren Zahl von Beteiligten gewährleisten;
Massenkommunikation und 'global village' erscheinen entsprechend als der
zu erreichende Gipfel, ergänzt durch den wenig vermittelten Einwand,
die Medien sollten nun ihre monologisch-hierarchische Struktur aufgeben
und zum Grundmuster des Dialogs zurückkehren.
So plausibel es ist, auf einem Außen der Technik zu beharren
und daran festzuhalten, daß es Bereiche gibt, die zumindest im unmittelbaren
Sinne nicht Technik sind, so brüchig erscheint die Gewißheit,
daß der soziale Prozeß die Technik vollständig determiniert;
das spezifische Moment von Blindheit, das die Technikentwicklung kennzeichnet,
und die augenfällige Tatsache, daß auch die Medienentwicklung
sich weitgehend unabhängig von formulierten Zielen und im Rücken
aller Beteiligten vollzieht, fordert die Theorie auf spezifische Weise
heraus; jede mediengeschichtliche Rekonstruktion wird dieses Moment insofern
einbeziehen und ihm einen beschreibbaren Ort zuweisen müssen.
Ein drittes und gegenwärtig sehr prominentes Modell setzt exakt
an diesem Punkt an. Da die Mediengeschichte einer eigenständigen Entwicklungslogik
zu folgen und diese dem menschlichen Bewußtsein nur sehr teilweise
zugänglich zu sein scheint, sind verschiedene Autoren dazu übergegangen,
statt von Entwicklung von Emergenz, und statt von Mediengeschichte von
Prozessen einer weitgehend autonomen Evolution zu sprechen. Die Problematik
dieser Position liegt auf der Hand; wenn nicht exakt bestimmt werden kann,
auf welchem metaphorischen Niveau der Evolutionsbegriff in Anspruch genommen
wird, droht die Technik unmittelbar in Natur überzugehen, und die
grundsätzlich problematische Grenze zwischen natürlichen und
kulturellen Phänomenen erscheint nivelliert. Solche Lösungen
sind um so erstaunlicher, wenn sie gleichzeitig sehr avancierte sprachtheoretische
Modelle verwenden und eher die Sprache als die Natur als die unverrückbare
Grundlage ihres Technikbildes ansehen würden.
Wenn die genannten Einwände, so grob sie hier skizziert werden
können, tatsächlich etwas treffen, so bedeutet dies nicht, daß
die Thesen selbst damit einfach hinfällig sind. Ein Ansatz, der die
genannten Defekte vermeiden will, wird entsprechend weder innerhalb, noch
in schlichter Weise außerhalb der genannten Paradigmen sein Terrain
finden können. Vielversprechender, wenn auch risikoreicher könnte
es sein, bestimmte starke Einzelargumente zu isolieren, sie aus ihrem Kontext
zu lösen und dann mit einem völlig anderen Verfahren - einem
Verfahren der Strukturbeobachtung - zu konfrontieren. Diese Strukturbeobachtung
geht von der Tatsache aus, daß die Medienlandschaft von einer Vielzahl
innerer Spannungen und Widersprüche durchzogen ist und daß die
Beobachtung solcher Systemspannungen die Chance bietet, Hypothesen über
ihren Ursprung aufzustellen. Gerade wenn Widersprüche auftreten, sei
es innerhalb der Implementierungen selbst oder in den begleitenden Diskursen,
wenn die von den Beteiligten geäußerten Intentionen und die
real entstehenden Strukturen weit auseinanderfallen, und wenn eine konkrete
mediale Implementierung ihr technisches Ich-Ideal nicht erfüllt, gerade
dann, dies ist die Vorstellung, wird ein Durchblick auf die relevanten
Züge der jeweiligen Medienkonstellation möglich.
Und eine zweite, präzisierende Bestimmung ist wichtig; die Widersprüche
nämlich lassen einen Blick weniger auf die 'Realitäten' des entsprechenden
Mediums zu, als auf die
Wunschkonstellationen, die die Medienentwicklung
zu einem konkreten Zeitpunkt bestimmen. Die grundlegende Annahme ist, daß
die Dynamik der Medienentwicklung in bestimmten Wunschstrukturen ihre Ursache
hat und daß die Mediengeschichte beschreibbare Sets impliziter Utopien
verfolgt.
Dabei wird zunächst offenbleiben müssen, ob dies die Wünsche
der an den Prozessen konkret Beteiligten sind, ob sie deren Bewußtsein
erreichen können, oder ob sie überhaupt einen menschlichen Träger
verlangen; der Begriff des 'Wunsches' meint insofern eher die Systemspannung
selbst als ihre subjektive Vergegenwärtigung, und eher den Druck in
Richtung einer Lösung als die Versicherung, daß eine Lösung
tatsächlich gefunden werden kann. Und ebenso muß zunächst
offenbleiben, ob es nicht ganz anderes geartete Wünsche gibt, die
diesen Wunschkonstellationen widerstreben.
Welche Utopien in diesem Sinne nun sind es, die das Datenuniversum als
eine neue Medienkonstellation aus sich heraustreiben? Was die Inhalte angeht,
so ist es eine einzelne Behauptung, in der die hier vertretene Argumentation
ihren Drehpunkt hat: Die These, daß das Rechneruniversum auf eine
'Externalisierung
der Sprache' abzielt. Was Externalisierung und was Sprache im vorliegenden
Zusammenhang bedeuten, wird Schritt für Schritt zu entfalten sein;
Behauptung jedenfalls ist, daß der gesamte Umbruch hin zum Datenuniversum
auf eine einzige, präzise beschreibbare Wunschstruktur zurückgeht,
und daß diese Wunschstruktur aus dem begleitenden Diskurs und aus
den Widersprüchen und Defekten der vorhandenen Medien mit relativer
Exaktheit hergeleitet werden kann.
Das im folgenden vorgetragene Material soll diese These zunächst
stärker machen und dann in verschiedene Richtungen ausbauen. Eine
Fülle von Indizien und sehr heterogenes Material wird in die Argumentation
eingehen; auf diese Weise aber, das ist die Hoffnung, wird letztlich ein
Geflecht entstehen, das die These trägt und bestimmte konkurrierende
Thesen zumindest weniger selbstverständlich erscheinen lassen wird.
Verblüffend ist zunächst, daß Derrida sich exklusiv auf das Medium Schrift bezieht, die im engeren Sinne technischen Medien aber ausspart; eine Möglichkeit 'was es heute zu denken gilt' im Medium Film oder auf Tonträgern niederzuschreiben, scheint selbstverständlich ausgeschlossen zu sein.(6) Und verblüffend ist zweitens, daß es dennoch ein technisches Medium ist, von dem die Verunsicherung ausgeht, denn Derrida schreibt zum Zusammenhang seines Zweifels: "Die Buchform, als traditionelle Speicherung der Gedanken, [wird] über kurz oder lang einer anderen, bereits vorstellbaren Art der Speicherung weichen müssen, deren rasche Verfügbarkeit der des Buches überlegen sein wird: die große 'Magnetothek' mit elektronischer Auswahl wird in naher Zukunft vorselektierte und sofort verfügbare Informationen liefern."(7) Das Medium, das die Schrift an ihre Grenze bringt, also ist bereits in diesem Text von 1967 unmißverständlich: der Computer.
Eine mediengeschichtliche Konstruktion, die die Schrift und den Computer
unmittelbar konfrontiert und die Geschichte der technischen Medien wortlos
überspringt, muß defekt, zumindest aber rüde anmuten, und
dennoch ist dieses Modell immer wieder vertreten worden. Am prominentesten,
ebenfalls in den sechziger Jahren, von McLuhan, der den Begriff der 'Gutenberggalaxis'
geprägt hatte und das Zeitalter von Schrift und Druck in ein neues
Zeitalter der 'Elektronik' umschlagen sah,(8)
wobei McLuhan unter 'Elektronik' - eine eigentümlich chimärische
Konstruktion - sowohl das Fernsehen als auch die neuen, digitalen Technologien
zusammenfaßte.(9) Und in der
Gegenwart ist es Bolz, der die Medienlandschaft nun, Mitte der neunziger
Jahre, endlich 'am Ende der Gutenberggalaxis' angekommen sieht.(10)
Unter dem Aspekt einer differenzierten Mediengeschichtsschreibung wäre
darauf zu bestehen, daß der Bezug auf eine Vielzahl von Medien zu
diskutieren wäre, bevor der Ort bestimmt werden kann, den der Computer
in der Medienlandschaft einnimmt. Und es wäre von der Tatsache auszugehen,
daß die Bildmedien das Privileg der Schrift bereits gebrochen hatten,
daß der Computer also keineswegs auf ein intaktes und im Vollbesitz
seiner Kräfte befindliches Schriftuniversum getroffen ist. Wenn es
sich dennoch aber nicht um einen schlichten Irrtum handelt, so wird man
fragen müssen, welche These oder welche Intuition sich hinter dem
Kurzschluß zwischen Schrift und Computer verbirgt.
Ist es möglich, daß Schrift und Computer tatsächlich
durch einen privilegierten Bezug miteinander verbunden sind? Es sind verschiedene
Theoriemodelle entwickelt worden, die diesem Bezug nachgehen. Die wohl
vielversprechendsten versuchen im Anschluß an Lacan zu klären,
auf welche Weise der Computer in das Dreieck des Realen, des Imaginären
und des Symbolischen einzuordnen ist, oder auf welche Weise die digitale
Unterscheidung zwischen 0 und 1 an das Fort-Da-Spiel Freuds anschließt.(11)
Das Irritierende an diesen Ansätzen ist, daß sich die Argumentation
auf einem extrem hohen Abstraktionsniveau bewegt und auf die konkreten
mediengeschichtlichen Fragen entweder kaum oder nicht mehr zurückbezogen
werden kann. Es erscheint wenig hilfreich zu erfahren, daß das Symbolische
im digitalen Medium zum ersten Mal als reine Differenz, reine Artikulation
hervortrete,(12) solange unklar
bleibt, welchen Status die verwendeten Kategorien außerhalb der zitierten
Theorien beanspruchen können und welche Chance besteht, sie an etablierte,
medientheoretische Begriffe anzuschließen. Sprache erscheint nicht
als eine Kulturtechnik, die mit anderen Kulturtechniken interagiert und
auf beschreibbare Weise Subjekte wie Intersubjektivität generiert,
sondern als eine quasi transzendentale Kraft, die, dem Hegelschen Weltgeist
nicht unähnlich, den Menschen durchquert um das eigene Programm zu
exekutieren. Für eine medientheoretische Überlegung sind diese
Modelle im unmittelbaren Sinn deshalb kaum brauchbar; was diese Modelle
dennoch beizutragen haben, wird in einem eigenen Abschnitt darzustellen
sein.(13)
Diesen sehr abstrakten Ansätzen steht eine Gruppe um so pragmatischerer
Modelle gegenüber; innerhalb der Debatte um die Künstliche Intelligenz
nämlich hat man erhebliche Kräfte darauf konzentriert zu klären,
auf welche Weise 'natürlichsprachliche Daten' im Rechner verarbeitet
werden können, bzw. wie ein Sprach- oder Semantikmodell im Rechner
aussehen könnte. Diese Fragen waren vor allem deshalb relevant, weil
die Expertensysteme, in die man große Hoffnungen setzte, an Problemen
des Zugriffs, der Datenreduktion und des impliziten Wissens zu scheitern
drohten und das Modell der Sprache zumindest Aufschluß über
die Struktur dieser Art von Problemen versprach.(14)
Von ihrem Anspruch, die natürliche Sprache auf dem Rechner zu
simulieren, hat die KI sich inzwischen entfernt.(15)
Geblieben ist eine bestimmte Anzahl etablierter technischer Metaphern,(16)
sowie theoretische Texte aus der Debatte selbst und eine Annäherung
an die Linguistik, die die Linguistik ihrerseits mit dem Umbau ihrer eigenen
Vorstellungen und Begriffe beantwortet hat.
Auch die Ergebnisse dieser Debatte allerdings sind für eine medientheoretische
Perspektive nur begrenzt zu verwenden. Allzu eng scheint das Bild der Sprache
auf die Vorstellung eines technischen Funktionierens eingeschränkt,
und allzu weit erscheint der Abstand zu sprachphilosophischen oder kulturtheoretischen
Überlegungen zu sein; wenn im folgenden deshalb ein anderer Weg beschritten
und die zitierten Debatten nur sporadisch aufgegriffen werden werden, so
im Interesse eines komplexeren Sprachbegriffs, der klare technische Funktionsbestimmungen
zwar berücksichtigt, aber vermeiden will, das Bild der Sprache zu
reduzieren. Ob die Sprache auf dem Rechner tatsächlich implementierbar
ist, kann außerhalb der Informatik nicht die Frage sein; wenn die
Behauptung also ist, daß die Rechner auf eine 'Externalisierung der
Sprache' abzielen, dann, wie erläutert, im Sinn einer impliziten Utopie
und ausdrücklich nicht einer technischen Implementierung.
Geht man auf die eingangs zitierte Derrida-Stelle zurück, ist nun
zu fragen, welches die Limitierungen sind, an denen die Sprache gegenwärtig
zu scheitern droht. Warum kann, was es heute zu denken gilt, in der Form
der Zeile oder des Buches nicht - oder nicht mehr? - niedergeschrieben
werden? In erstaunlicher Einhelligkeit würden sowohl McLuhan als auch
Flusser, Bolz, Landow und eine Vielzahl anderer Medientheoretiker mit einem
Modell antworten, das die Linearität der Schrift in den Mittelpunkt
stellt.
"Bei [der] ersten Betrachtung des Schreibens ist die Zeile, das
lineare Laufen der Schriftzeichen, das Beeindruckendste. Das Schreiben
erscheint dabei als Ausdruck eines eindimensionalen Denkens und daher auch
eines eindimensionalen Fühlens, Wollens, Wertens und Handelns: eines
Bewußtseins, das dank der Schrift aus den schwindelnden Kreisen des
vorschriftlichen Bewußtseins emportaucht. [...]. [Man hat] dem Schriftbewußtsein
verschiedene Namen gegeben. Man nannte es etwa das 'kritische', das 'fortschrittliche',
das 'zählerische' oder das 'erzählerische'. All diese Namen können
jedoch auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Es ist beim Schriftbewußtsein
von einem 'historischen Bewußtsein' zu sprechen."(17)
Konsens ist zunächst die Tatsache, daß die Schrift ihre
Zeichen in eine materiell-lineare Anordnung bringt. Und man wird sich vergegenwärtigen
müssen, daß dies ein in extremer Weise restriktives Ordnungsprinzip
ist: Das Prinzip der linearen Anreihung läßt zu jedem Zeitpunkt
nur die Auswahl eines einzigen neuen Elements zu, alle anderen möglichen
Elemente müssen unterdrückt und von der Auswahl ausgeschlossen
werden.(18) Die Leistung dieses
System besteht darin, daß es dem Denken eine einzigartige Disziplin
auferlegt: "da der beschränkte Geist des Menschen nicht fähig
ist, mehrere Ideen gleichzeitig vor Augen zu haben",(19)
ist ihm gedient, wenn diese zeitlich oder räumlich nacheinander auftreten;(20)
Sprache und Schrift können insofern als eine Maschine zur Unterbindung
von Gleichzeitigkeit aufgefaßt werden. Die Linie zwingt dazu, zeitliche
Abläufe genau zu ordnen und sich für Ursache/Folgeverhältnisse
zu interessieren; das Grundschema der Narration geht von konsekutiven auf
konditionale und schließlich kausale Denkschemata über. Die
Linearität von Sprache und Schrift liegt damit sowohl dem historischen
Denken als auch, vermittelt, der Kausalitätsvorstellung der Naturwissenschaften
zugrunde.(21)
Exakt diese Gesamtanordnung aber ist es, die, folgt man den genannten
Autoren, in eine tiefgreifende Krise geraten ist. Offensichtlich ist zunächst,
daß innerhalb der Literatur verstärkt Projekte auftreten, die
mit der Linearität in offenem Zwiespalt liegen.(22)
Die langen, linearen Syntagmen scheinen einer unaufhaltsamen Erosion ausgesetzt
und es entstehen essayistische, gebrochene oder offene Strukturen, wie
sie für die Texte der Moderne kennzeichnend sind. Ähnliche Veränderungen
lassen sich z.B. auch innerhalb der Musik nachweisen.(23)
In der Theorie verstärkt sich die Tendenz, ihren eigenen Textcharakter
zu reflektieren; es entsteht der Verdacht, daß insbesondere historische
Darstellungen eine Linearität in die geschilderten Ereignisse überhaupt
erst hineintragen. In der Folge wird das historische Denken als eine Konstruktion
zunehmend infragegestellt und historisch- teleologische Entwürfe wie
der Marxismus werden als 'die großen Erzählungen' kritisiert.
Und schließlich erreicht der Zweifel die Kausalität selbst.
"Bei der gewöhnlich gebotenen Beweisführung entspricht die
verwendete Sprache jenem Fall, bei dem jede Wirkung nur eine Ursache und
jede Ursache nur eine Wirkung hat, so daß alle Kausalketten einfache
lineare Abfolgen sind. Wenn wir nun die Tatsache in Rechnung ziehen, daß
eine Wirkung durch eine gemeinsame Einwirkung verschiedener einzelner Ursachen
hervorgerufen werden kann und daß eine Ursache mehr als eine Wirkung
hervorrufen kann, dann können sich die Kausalketten verzweigen, und
sie können auch untereinander Verknüpfungen eingehen. [...] Die
moderne Naturwissenschaft und Philosophie stimmen jetzt darin überein,
daß in allen Forschungs- und Untersuchungsgebieten 'Ursachen' von
'Konfigurationen' abgelöst worden sind."(24)
Die sehr heterogenen Einzelargumente also lassen sich auf ein gemeinsames
Grundmotiv reduzieren. Das Prinzip der Linearität scheint in Konflikt
geraten mit einer zunehmend komplexen Realität und den Notwendigkeiten
eines zunehmend komplexen Denkens (?); was letztlich bedeutet, daß
die Schrift als ein Modus der Abbildung vor dem Abzubildenden versagt.
Konkret wird nun hervorgehoben, daß die Linearität als ein
Mechanismus der Ausschließung, ja, der Verdrängung verstanden
werden muß. "As Derrida emphasizes, the linear habits of thought
associated with print technology often force us to think in particular
ways that require narrowness, decontextualization, and intellectual attentuation,
if not downright impoverishment. Linear argument, in other words, forces
one to cut off a quoted passage from other, apparently irrelevant contexts
that in fact contribute to its meaning. The linearity of print also provides
the passage with an illusory center whose force is intensified by such
selection."(25) Die Linearität
der Schrift erscheint als eine 'Verengung', die im guten Sinne eine Konzentration,
im schlechten aber den Verlust von Komplexität bedeutet; und Bolz,
für eine bündige Zusammenfassung immer gut, kann summieren: "So
gilt für unser Zeitalter der Datenflüsse prinzipiell: Das Buch
ist der Engpaß menschlicher Kommunikation. [...] Um die hier angezielte
Komplexität ohne Informationsverlust darzustellen, wäre eben
eine Simultanpräsentation in mehreren Ebenen nötig."(26)
Wo aber Gefahr ist, wächst /Das Rettende auch. Bolz nämlich schreibt weiter: "[...] Gesucht wird also ein Medium simultanpräsenter Darstellung [...]. Eben diese Möglichkeit aber eröffnen Hypermedien",(27) und das heißt: der Computer. Es folgt eine Argumentation, die zwischen dem Problem (Komplexität, Krise der Schrift) und der technischen Lösung (Hypermedia) eine Strukturanalogie herstellt und belegt, daß auch in diesem Fall dem Begehren eine Stillung versprochen ist. Die Argumentation wird unten detaillierter zu untersuchen sein, vor allem, weil sie in ähnlicher Weise auch von den anderen genannten Autoren vertreten wird.
Zunächst aber sei ein grundsätzlicherer Zweifel formuliert.
Auffällig nämlich ist, daß die Gesamtargumentation einer
relativ schlichten Logik der Überbietung folgt. Die Probleme nehmen
an Komplexität zu, glücklicherweise aber können die Medien
mithalten, auch wenn ein über lange Zeit etabliertes System, die Schrift,
am Wege zurückbleiben muß; mit den anfangs zitierten 'Fortschritts'-Theorien
hätte die These gemeinsam, daß auch sie die neue Medienkonstellation
als selbstverständlich entwickelter, leistungsfähiger, als einen
'Fortschritt' eben modelliert, was seltsam anmutet, zumal wenn gleichzeitig
die Geschichte und die historisch-narrativen Teleologien verabschiedet
werden.
Zum zweiten rächt sich die Tatsache, daß im Kurzschluß
zwischen Schrift und Computer die technischen Medien übersprungen
wurden, nun unmittelbar. Die Formulierung 'Medium der simultanpräsenten
Darstellung' erinnert so zwingend an die Bildmedien und ihre innere Logik,
daß man wird fragen müssen, warum erst der Computer die Schrift
überbietet, 150 Jahre technische Bilder dem geforderten Komplexitätsniveau
offensichtlich aber nicht haben gerechtwerden können.
Und die dritte Frage leitet sich hieraus unmittelbar ab. Vor allem
Flusser nämlich hatte betont, daß die lineare Schrift als eine
mediengeschichtliche Errungenschaft gegen ein historisch vorgängiges
System sich hat durchsetzen müssen, und zwar das System der vortechnischen
Bilder. "Die Geste des Schreibens richtet sich nicht unmittelbar gegen
das Objekt, sondern mittelbar, durch ein Bild hindurch bzw. durch Vermittlung
eines Bildes. Er [der göttliche Stilus, der schreibend den Menschen
erschafft] gräbt in Lehm, um ein Bild zu zerreißen. Das grabende
Schreiben (das Schreiben überhaupt) ist ikonoklastisch. [...] Der
ritzende Stilus ist ein Reißzahn, und wer Inschriften schreibt, ist
ein reißender Tiger: Er zerfetzt Bilder. Inschriften sind zerfetzte,
zerrissene Bildkadaver, es sind Bilder, die dem mörderischen Reißzahn
des Schreibens zu Opfern wurden. Daher das Entsetzen, von dem die ersten
Empfänger von Inschriften ergriffen wurden."(28)
"Tatsächlich geht es beim Schreiben um ein Transcodieren des
Denkens, um ein Übersetzen aus den zweidimensionalen Flächencodes
der Bilder in die eindimensionalen Zeilencodes, aus den kompakten und verschwommenen
Bildercodes in die distinkten und klaren Schriftcodes, aus Vorstellungen
in Begriffe, aus Szenen in Prozesse, aus Kontexten in Texte."(29)
Wenn diese Bestimmung Sinn macht,(30)
so würde dies bedeuten, daß die Schrift keineswegs defizitär
und aus Armut mit nur einer Raumdimension sich bescheidet, sondern eine
bewußte Beschränkung darstellt, ein bewußt restriktives
System, das historisch einem 'reicheren', 'kompakten', leider aber 'verschwommenen'
System gegenübertritt. Verspricht der Computer nun Reichtum und
Distinktion? Kompaktheit
und das Ende der Verschwommenheit? Die
Logik der Überbietung jedenfalls sieht sich fast vollständig
umgestülpt, und interessant wird nun die Frage nach den Kriterien,
entlang derer sich die Überbietung vollzieht. Differente Systeme scheinen
differente Stärken und differente Schwächen zu haben und es scheint
kaum zu erwarten, daß ein neues System schlicht alle Wünsche
erfüllt.
Was also ist das spezifische Versprechen, daß die Computer
machen? Um sich dieser Frage anzunähern wird eine zweite, nun detailliertere
Runde durch die zitierten Ansätze notwendig sein. Alle wichtigen Bestimmungen
nämlich, so denke ich, sind dort vorgeführt und es wird allein
darum gehen sie in Verbindung zu bringen, um dann eine Konstellation -
eine Wunschkonstellation? - aus ihnen herauszulesen.
Sprache also hat die komplizierte Eigenschaft, in zwei unterschiedliche
'Seinsweisen' zu zerfallen. Zum einen hat sie ihren Sitz im Außen,
im intersubjektiven Raum; dort tritt sie in Form von Texten auf, linear
und materialisiert in schwingender Luft, bedrucktem Papier oder flüchtigen
Bytes. Zum zweiten, und sicher nicht weniger materiell, bildet sie ein
System; und fragt man auch hier nach dem materiellen Ort, so wird man den
Systemteil der Sprache in den empirischen Gedächtnissen der Sprachbenutzer
lokalisieren müssen. Zwei unterschiedliche Orte also - Sprache_1 und
Sprache_2 - und zwei völlig unterschiedliche Strukturprinzipien. Die
Sprache erscheint als eine gesellschaftliche Maschinerie, die die linearen
Syntagmen im Außenraum mit der nicht-linearen Struktur der empirischen
Gedächtnisse in eine regelhafte Verbindung bringt.
Wie aber ist dieser zweite, der Systemteil der Sprache zu beschreiben?
Eine offensichtliche Schwierigkeit besteht darin, daß der Systemteil
der Sprache, ins 'Dunkel' der empirischen Gedächtnisse eingeschlossen,
einer unmittelbaren Beobachtung sich entzieht.(31)
Es sind insofern Modellbildungen, die die Lücke füllen und zusammenfassen,
was die Introspektion und die sekundäre Beobachtung liefern. Mit diesen
Sprachmodellen wird sich die Medientheorie auseinandersetzen müssen,
wenn sie beim schlichten Bild der Linearität nicht stehenbleiben will.
Als erstes bietet sich selbstverständlich Saussure an, auf dessen
Theorie das zweigeteilte Bild der Sprache bereits zurückgeht.(32)
Vor allem zwei seiner Einzelvorstellungen sind hier interessant. Im Rückgriff
auf die Assoziationspsychologie hatte Saussure behauptet, daß auch
im Innenraum des Gedächtnisses die Worte sich zu Ketten verknüpfen.(33)(34)
Jeder Begriff steht im Schnittpunkt einer Vielzahl von paradigmatischen
Achsen; wobei Saussure Assoziationen nach Wortklang, nach semantischer
Ähnlichkeit, morphologischen Gesetzmäßigkeiten usw. als
gleichrangig ansah; all diese Achsen bilden das Set von Alternativen, aus
dem die Elemente für die syntagmatische Kette ausgewählt werden;
sie bilden den 'Hintergrund', vor dem die syntagmatische Kette steht. Während
die syntagmatische Kette manifest ist, bleiben die assoziativen Ketten,
wie Saussure sagt, 'latent'. (Dies bedeutet in der Folge, daß Bedeutung
nicht eigentlich den Texten oder Äußerungen zukommt, sondern
entsteht, wenn Texte - äußere Sprachereignisse - auf das im
Gedächtnis etablierte Netz sprachlicher Assoziationen treffen; Sprache
in diesem Sinne ist sehr weitgehend ein Gedächtnisphänomen.)
Und zweitens wichtig bei Saussure ist die Werttheorie. Sie besagt,
daß Bedeutung nicht den einzelnen sprachlichen Elementen zugeschrieben
werden kann, sondern sich nur in der Relation auf andere sprachliche Elemente,
in Ähnlichkeits- und Kontrastverhältnissen, konstituiert; allein
die Relationen zu anderen sprachlichen Elementen sind es, die das Element
im System der Sprache verorten.(35)
Die wesentliche Neuerung der Werttheorie war, daß damit die Sprache
als eine Gesamtarchitektur in den Blick genommen werden mußte. Wie
beide Theorien zu vereinigen wären und auf welche Weise die assoziativen
Reihen tatsächlich einen Systemzusammenhang bilden, allerdings hat
Saussure nicht ausgeführt. Für ein kohärentes Sprachmodell
aber ist diese Frage entscheidend und verschiedene seiner Nachfolger haben
sie deshalb aufgegriffen und Vorschläge zu ihrer Lösung gemacht.
Die komplizierte Geschichte dieser Theorien kann hier nur auf wenige
Stichworte reduziert dargestellt werden. Trier/Weißgerber haben den
Feldbegriff eingeführt,(36)
eine vermittelnde Instanz insofern, als sich die semantischen Felder zwar
in Abstoßungsrelationen konstituieren, gleichzeitig aber aneinandergrenzen,
und so zum Gesamtsystem der Sprache quasi aufaddieren. Daß dieses
Bild an eine zweidimensionale Grundvorstellung gebunden bleibt, macht seine
Pointe und gleichzeitig seine deutliche Grenze aus. Zum zweiten die Entwicklung
von der 'Assoziation' zum allgemeineren Begriff der 'paradigmatischen Reihe',
und, noch einmal bei Weißgerber, die Vorstellung, daß paradigmatische
Relationen vor allem in Form bipolarer Oppositionen auftreten. Dies wertet
die bei Saussure noch gleichrangige Kategorie der Ähnlichkeit ab und
läßt Ähnlichkeit als einen sekundären Effekt semantischer
Oppositionen erscheinen. Diese Sicht wurde beibehalten, auch als sich später
der allgmeinere Begriff des semantischen 'Kontrasts' durchsetzte.(37)
Bei Carnap (1956) die Bestimmung, daß sich der Wortschatz in 'Klassen'
gliedert und die Bedeutung eines Elements mit der Summe der definierenden
Eigenschaften seiner Klasse zusammenfällt;(38)
und bei Hjelmslev und Jakobson schließlich die These, daß die
Bedeutung jedes Wortes als eine Kombination allgemeinerer 'Bedeutungskomponenten'
oder semantischer Merkmale analysiert werden kann.(39)
So groß die Differenzen dieser Modelle sind und so wenig die
Probleme im Detail und die Widersprüche geschlichtet werden können,
läßt dennoch eine Grundvorstellung - oder eine Art Leitmetapher
- aus den verschiedenen Ansätzen sich extrahieren. Diese Leitmetapher
besteht darin, daß sie alle das semantische System der Sprache als
ein n-dimensionales Netz modellieren. Die Worte oder semantischen
Einheiten werden als 'Knoten' verstanden, die durch eine Vielzahl negativ-
differentieller Verweise aufeinander bezogen sind; ihre Positionen im Netz
ergeben sich ausschließlich aus der Struktur der Verweise; semantische
'Nähe' oder 'Ähnlichkeit' ist entsprechend nicht substanziell
bestimmt, sondern ergibt sich aus einer Ähnlichkeit der Verweisstruktur;
Differenz, Kontrast oder Abstoßung sind basal, um das System als
eine n-dimensionale Struktur überhaupt zu artikulieren.
Das so skizzierte Modell ist hoch abstrakt und bewegt sich zweifellos
an der Grenze zur Metapher; da es weder mit linguistischen noch mit neurowissenschaftlichen
Detailergebnissen ohne weiteres verbunden werden kann, erscheint es angreifbar,
und zudem drängt sich der Einwand auf, als ein Erbe klassisch strukturalistischer
Modelle vernachlässige das Bild des n-dimensionalen Netzes sowohl
die Dimension der Entwicklung als auch die referentielle Dimension, also
den Weltbezug der Sprache.(40)
(All dies dürfte der Grund dafür sein, daß sich das Modell
selbst in hunderten von Theorien variiert vorfindet, explizit, bündig
und zitierbar aber nirgends ausformuliert worden ist.)
So berechtigt die genannten Einwände sind, so sinnvoll erscheint
es dennoch, das Modell so stark wie möglich zu machen. Seine hauptsächliche
Leistung besteht darin, daß bestimmte Folgerungen und Implikationen
präzise benannt werden können, die ausschließlich auf der
Ebene der skizzierten, sehr abstrakten Modellbildung überhaupt sichtbar
werden. Und erst die Abstraktion erlaubt den Anschluß an medientheoretische
Überlegungen, die zwangsläufig auch außersprachliche Phänomene
zum Gegenstand haben.
Deutlich ist zunächst, daß die Netzmetapher bestimmte räumlich/geometrische
Vorstellungen impliziert. Das Bild des Netzes verbindet lineare Achsen
oder Vektoren zu einer zwei-, drei- oder mehrdimensionalen Struktur. Während
die unmittelbar geometrische Anschauung bei den drei Dimensionen des physikalischen
Raumes endet, ist es der Mathematik selbstverständlich, mit beliebig
vielen gleichrangigen Dimensionen umzugehen und n-dimensionale Räume
zu entwerfen.(41) Folgt man dem
Modell, also wäre das semantische System der Sprache ein solcher n-dimensionaler
Raum, und unsere sprachliche Praxis eine Art, sich selbstverständlicher
als in der Mathematik selbst in diesem n-dimensionalen Raum zu bewegen.
Zum zweiten, und dies wird im Begriff des 'Knotens' eher verdeckt,
wird das einzelne Wort in dieser Vorstellung als eine Art 'Situation' konzipiert
werden müssen. Nimmt man den virtuellen Ort des einzelnen Knotens
ein, ergibt sich eine bestimmte Perspektive auf das Netz. Die Vielzahl
der Verweise, die insgesamt die Bedeutung des Wortes ausmachen, stehen
gleichrangig, in jedem Fall aber gleichzeitig zur Verfügung; die Netzmetapher
eröffnet damit eine Dimension der Simultanität, die man mit den
Überlegungen zur Linearität wird zusammendenken müssen.
Und verblüffend direkt ergibt sich eine dritte Folgerung für
das oben gestellte Problem, wie die linearen Texte zum sprachlichen System
sich verhalten. Die linearen Texte nämlich müssen nun als ein
'Durchlauf' durch die Netzstruktur, als eine aktuelle Inanspruchnahme bereits
gebahnter Wege erscheinen.(42)
Die syntagmatische Anreihung in der manifesten Kette erscheint als eine
Aktualisierung bereits etablierter Assoziationen. Jeweils eine der Assoziationen
wird für die Fortsetzung der Kette ausgewählt, alle anderen werden
verworfen; einen Moment lang stehen sie als 'Volumen der Bedeutung' zur
Verfügung, dann läßt die Kette den entsprechenden Ort im
Netz hinter sich. Bezieht man die Überlegung zur Simultanität
ein, wäre ein Text damit ein Weg von 'Situation' zu 'Situation'.
Und umgekehrt wird an dieser Stelle der Übergang zu einem Entwicklungsmodell
möglich: nun nämlich erscheint denkbar, daß die linearen
Syntagmen etablierte Assoziationen nicht nur nachvollziehen, sondern auch
verstärken oder gar bahnen. Wenn es also eines der großen Rätsel
ist, auf welchem Weg das sprachliche System in die Köpfe hineinkommt,
wäre hier - vorläufig und immer im Rahmen des reduziert/abstrahierten
Modells - zu antworten, daß es die äußeren, linearen Texte
sind, die die Assoziationswege bahnen, die dann den Kernbestand des sprachlich
verfaßten Wissens bilden.
An dieser Stelle besteht die Gefahr, daß hinter dem Modell das
Ausgangsproblem verschwindet, und in der Rede von Linearität, Simultanität,
Aktualisierung und Bahnung die konkrete 'lebendige' Sprache nicht mehr
wiederzuerkennen ist. Ein Vorschlag zur Konkretisierung sei deshalb ergänzt.
Das Skizzierte nämlich erinnert unmittelbar an ein Sprachmodell, das
dem Alltagsverständnis wesentlich näher und sicherlich weniger
strittig ist: das Sprachmodell, das Freud in der 'Traumdeutung' und dann
in der 'Psychopathologie des Alltagslebens' entwickelt hat.(43)
Zeitlich parallel zu Saussure hatte Freud die Rolle der Sprache in
der Kur zu klären versucht. Da die Psychoanalyse vor allem mit sprachlichem
Material arbeitet, stellt das Sprechen des Patienten die entscheidende
Ebene dar, auf der die Symptome erscheinen. Und im Mittelpunkt der Sprachvorstellung
Freuds steht, wie bei Saussure, der Begriff der 'Assoziation'.
Durch die Grundregel aufgefordert, möglichst ohne bewußten
Eingriff zu assoziieren, liefert der Patient einen Strom von Vorstellungen,
die sein Sprechen miteinander verkettet, und in den Brüchen, Auslassungen
und Umgehungen wird nach und nach eine Struktur sichtbar, die für
das psychische Erleben des Patienten kennzeichnend ist. Es ist insofern
zunächst eine 'Privatsprache', die die Psychoanalyse rekonstruiert.
Eine individuelle Semantik, die gerade dort auffällig wird, wo sie
von den Konventionen der intersubjektiv verbindlichen Sprache und den etablierten
Assoziationen abweicht.
Im Grundprinzip ihres assoziativen Aufbaus aber gehorchen beide Sprachen
dem gleichen Gesetz. Daß Freud dies sehr bewußt war, zeigt
seine Theorie zu den sprachlichen Fehlleistungen, in der er das Netz der
konventionalisierten Assoziationen nachzeichnet, um die Bahnungen aufzufinden,
die die Fehlleistung überhaupt ermöglicht haben.(44)
Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist eine graphische Darstellung
Freuds, die das bekannte Signorelli/Botticelli-Beispiel illustriert und
die verschiedenen miteinander assoziierten Begriffe durch ein System von
Knoten und Verbindungslinien zu einem Netz verknüpft.(45)
Wie Saussure sieht auch Freud Assoziationen nach dem semantischen Gehalt
und Assoziationen nach dem Wortklang als gleichrangig an; ein Unterschied
allerdings ist, daß Freud sich vor allem für jene Assoziationen
interessiert, die die Grenze zum Unbewußten überschreiten.
Dieser Gedanke ist in den sechziger Jahren von Lacan aufgenommen worden,
der das Modell generalisiert hat und nun tatsächlich von der allgemeinen,
intersubjektiv verbindlichen Sprache spricht. Und Lacan setzt exakt beim
Problem der Linearität ein:
"Die Linearität, die F. de Saussure als konstitutiv ansieht
für die Kette des Diskurses, konform zu ihrer Aussendung durch eine
einzige Stimme und in der Horizontale, wie sie sich in unserer Schrift
niederschreibt, ist, wenn auch notwendig, so doch durchaus nicht zureichend.
Denn sie bestimmt die Diskurskette nur in der Richtung, die diese in der
Zeit orientiert [...]. Es genügt aber, der Poesie zu lauschen, [...]
damit eine Vielstimmigkeit sich vernehmen läßt, und ein jeder
Diskurs sich ausrichtet nach den verschiedenen Dimensionen einer Partitur.
Tatsächlich gibt es keine signifikante Kette, die, gleichsam an der
Interpunktion jeder ihrer Einheiten eingehängt, nicht alles stützen
würde, was sich an bezeugten Kontexten artikuliert, sozusagen in der
Vertikalen dieses Punktes. [...]
Wenn wir unser Wort: arbre (Baum) wieder aufgreifen, [...] [sehen
wir, daß] es alle symbolischen Kontexte anzieht, in denen es im Hebräisch
der Bibel erscheint [...] [und ebenso Verse der Dichtung, die man], glauben
wir, mit Recht in den mitklingenden Tönen des Wortes arbre hören
kann."(46)
Drei Gedanken faßt diese Stelle zusammen: die Kritik einer allzu
schlichten Vorstellung von Linearität, das Gegenbild einer Vielstimmigkeit
oder Partitur, das die Kopräsenz der 'vertikalen', paradigmatischen
Achsen betont, und drittens, wie gleich zu zeigen sein wird, ein Entwicklungsmodell.
Deutlicher als bei Freud wird bei Lacan, daß das Modell an den Begriff
der 'Konnotationen' anschließt, der traditionell das Volumen oder
den Bedeutungshof der einzelnen Elemente bezeichnet. 'Gleichsam an der
Interpunktion der Einheiten der signifikanten Kette eingehängt', fungieren
als Konnotation all jene Assoziationen, die konventionalisiert im intersubjektiven
Raum - im Gedächtnis der anderen Sprachbenutzer - vorausgesetzt werden
können.(47)
Das Entwicklungsmodell schließlich deutet Lacan in einem Halbsatz
nur an. Die Formulierung, die signifikante Kette stütze all das, 'was
sich an bezeugten Kontexten artikuliert', enthält die radikale These,
daß die paradigmatischen Assoziationen der Gegenwart auf Texte der
Vergangenheit zurückgeführt werden müssen. Dies erinnert
an die Vorschrift der altchinesischen Gelehrten, zu jedem Wortzeichen der
Schrift eine bestimmte Anzahl kanonisierter Textstellen auswendigzulernen,
die die Verwendung des Zeichens in der klassischen Literatur belegten.
Der Kontext der Textstellen lud das Begriffszeichen auf und machte sein
Bedeutungsvolumen aus.(48)
Wenn dies also nicht eine einzelne Technik, sondern vielmehr die bewußte
Handhabung einer allgemeinen, semiotischen Gesetzmäßigkeit beschreibt,
so hieße dies, daß Zeichen grundsätzlich Kontexte 'ersetzten',
oder umgekehrt, daß Kontexte in Zeichen untergehen. Die Differenz
zum chinesischen Gelehrten wäre, daß der Sprachbenutzer die
'bezeugten Kontexte' normalerweise nicht erinnert; der Halbsatz Lacans
enthält insofern die Denkanforderung, den Zeichenprozeß, den
Diskurs und das Vergessen zusammenzudenken.
"Aber all dieses Signifikante, wird man sagen, kann doch nur wirken,
indem es im Subjekt gegenwärtig ist. Genau dies meine ich, wenn ich
annehme, daß es auf die Ebene des Signifizierten übergegangen
ist. Wichtig ist nämlich nicht, daß das Subjekt mehr oder weniger
davon weiß. [...]
Was diese Struktur der signifikanten Kette aufdeckt, ist meine Möglichkeit,
genau in dem Maße, wie ihre Sprache mir und anderen Subjekten gemeinsam
ist, das heißt, wie diese Sprache existiert, mich ihrer bedienen
zu können um alles andere als das damit zu bezeichnen, was sie sagt.
Diese Funktion des Sprechens verdient viel eher hervorgehoben zu werden
als die Funktion der Verkleidung von (meistenfalls undefinierbaren) Gedanken
des Subjekts".(49)
Die signifikante Kette also bezeichnet gerade nicht, 'was sie sagt',
sondern 'alles andere'. Die paradoxe Formulierung hebt hervor, daß
die manifeste Kette auf das System der Sprache immer bezogen bleibt; und
da die Sprache jedes Einzelelement negativ-differentiell auf die Gesamtheit
der anderen Elemente, auf 'alles andere' also, bezieht, sagt sie, was sie
nicht sagt, und was als Bedeutung positiviert erscheint, ist tatsächlich
ein Effekt von Bezügen, die in der Kette selbst nicht anwesend sind.
Dies wiederum erinnert an die Formulierung Bühlers, der dreißig
Jahre zuvor das Zeichen als einen 'Fremdling im Kontext' bezeichnet hatte.(50)
Die Metapher des Netzes tritt bei Lacan explizit nur an wenigen Stellen
auf. Er zeigt, daß zwischen der Netzvorstellung und dem Phänomen
der Wiederholung eine systematische Verbindung besteht,(51)
beschreibt noch einmal, daß das synchrone System sich einem Vergessen
verdankt(52) und verschränkt
das Netz mit dem diachronen Prozeß, der es hervorgebracht hat.(53)
All diese Bezüge werden zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen
sein. Wenn es hier darum geht, die Netzmetapher aus ihrer engen, linguistischen
Verwendung zu lösen, so dürfte plausibel geworden sein, daß
sie als eine Metapher und als ein abstraktes Modell eine Vielzahl von Fragen
zugänglich macht, die sich an das Funktionieren der Sprache richten.
Es ist insofern nicht allein eine Konkretisierung, die Freud und Lacan
dem Modell hinzufügen, sondern vor allem die Intuition, es könnte
sich tatsächlich um eine relevante Ebene der Beschreibung handeln.
Daß die Netzmetapher an den etablierten Begriff der Assoziation anzuschließen
ist, diesen Begriff aber gleichzeitig entpsychologisiert und an das sprachliche
Funktionieren bindet, daß sie die Bestimmung der Linearität
einerseits relativiert und andererseits in Richtung einer komplexeren Vorstellung
ausbaut, daß sie eine Signifikantenanordnung im Außenraum mit
Annahmen über Strukturen im Inneren der Gedächtnisse verbindet
und die irreduzible Differenz zwischen beiden Polen gleichzeitig aufrechterhält
- all dies macht die Leistungsfähigkeit der Netzmetapher aus.
Wenn die Netzmetapher gegenwärtig extensiv diskutiert wird, so
allerdings aus einem völlig anderen Grund. Der gesamte Kontext der
Sprachtheorie scheint zusammengebrochen, sobald es um die Computer geht,
und um ihre Fähigkeit, nicht-lineare Strukturen nun im Außen
zu repräsentieren.
All dies nun hätte die Kulturati wahrscheinlich herzlich kaltgelassen,
wenn die Rechner vor dem privilegierten Medium der Schreibenden, der Schrift,
haltgemacht hätten. Das aber ist nicht der Fall. Sobald sie auf Datenträgern
gespeichert ist, nämlich wird es möglich, auch die Schrift anders
als linear zu verwalten und n-dimensionale Netze nun aus Texten, Textteilen
oder schriftförmigen Daten aufzubauen. Es ist dies die Welt der sogenannten
'Hypertext'-Systeme, und diese haben ganz besonders intensive Phantasien
auf sich gezogen.
"Gesucht wird also ein Medium simultanpräsenter Darstellung:
[...] Eben diese Möglichkeit aber eröffnen Hypermedien. Sie implementieren
ein Wissensdesign, das Daten gleichsam frei begehbar macht; d.h. sie dekontextualisieren
Informationselemente und bieten zugleich Verknüpfungs- Schemata der
Rekombination an. [...] Und hier zeichnet sich nun eine für [eine]
komplexe Theorie des Komplexen entscheidende Implementierungsmöglichkeit
ab: Elaborierte Hypermedien werden mit second-order-links operieren, d.h.
also mit Verknüpfungen von Verknüpfungen. [...] Damit wäre
die Software-Struktur von Hypermedien [...] identisch mit der Theorie-Struktur
komplexer Sachverhalte: Relationierung von Relationen."(57)
Hypertextsysteme sind Maschinen, die Texte quer zum Verlauf des linearen
Syntagmas miteinander verknüpfen. An jeder Stelle eines Textes können
Querverweise eingefügt werden, die auf andere Texte zeigen; anders
als im Fall der traditionellen Fußnote wären diese Texte nicht
untergeordnet, sondern gleichrangig mit dem Ausgangstext, und anders als
im Fall des Zitats bleibt die Passage in ihren Originalkontext eingebettet.
Meist sind es kürzere Textbausteine, die auf diese Weise verknüpft
werden;(58) in jedem Fall entsteht
ein komplexes Geflecht, das lineare Syntagmen in eine neue, n-dimensionale
Netzstruktur überführt.(59)
Und hierin nun wird ein entscheidender Gewinn an Möglichkeiten
und an innerer Komplexität begrüßt. Die neue Signifikantenanordnung
scheint die Beschränkungen aufzuheben, denen die lineare Schrift unterliegt,
ihr ausschließender Charakter scheint überwunden und ein lange
verfolgtes Desiderat scheint sich plötzlich einzulösen.
Verschiedene Autoren sehen eine strukturelle Analogie zu sehr avancierten
literarischen Projekten, die die Linearität des Schreibens mit literarischen
Mitteln aufgebrochen haben. Mit Namen wie Joyce, Wittgenstein, Benjamin
oder Deleuze wird die neue Technik in eine stolze Ahnenreihe eingerückt(60)
und komplizierte Theoriedesigns werden als Vorläufer in Anspruch genommen.
Landow allerdings geht noch entschieden weiter, wenn er eine tatsächliche
Konvergenz der gegenwärtigen Philosophie und der Technikentwicklung
aufzeigen will:
"When designers of computer software examine the pages of Glas or
Of Grammatology, they encounter a digitalized, hypertextual Derrida; and
when literary theorists examine Literary Machines, they encounter a deconstructionist
or poststructuralist Nelson. These shocks of recognition can occur because
over the past several decades literary theory and computer hypertext, apparently
unconnected areas of inquiry, have increasingly converged. [...] A paradigm
shift, I suggest, has begun to take place in the writings of Jacques Derrida
and Theodor Nelson, of Roland Barthes and Andries van Dam. [...] All four,
like many others who write on hypertext or literary theory, argue that
we must abandon conceptual systems founded upon ideas of center, margin,
hierarchy, and linearity and replace them with ones of multilinearity, nodes, links, and
networks."(61)
Die Gleichsetzung als kurzschlüssig zurückzuweisen, wäre
einfach. Vielversprechender erscheint, sie als eine Formulierung von Wünschen
ernstzunehmen, die, illusionär oder nicht, als eine treibende Kraft
in die Entwicklung des neuen Mediums eingehen. Grundvorstellung bei Landow
ist, daß die Technik aufnimmt, was im außertechnischen Raum
(in den bisherigen Technologien) als ein Projekt sich abzeichnet; auf die
Ausgangsfrage nach der Medienentwicklung bezogen also, daß die technische
Realisierung einem Problemdruck folgt, der sich außerhalb der Technik
im diskursiven Raum aufgebaut hat. Da die Welt an Komplexität zunimmt,
muß die Medienwelt reagieren und dafür sorgen, daß das
Denken über entsprechend komplexe Instrumente verfügen kann.
Der zweite Punkt, der im Rahmen dieser Argumentation wichtig ist, ist
die Beziehung zwischen Text und Kontext, die sich mit den Hypermedien grundlegend
ändert. Relativ unspektakulär führt Landow ein: "Experiencing
a text as part of a network of navigable relations provides a means of
gaining quick and easy access to a far wider range of background and contextual
materials".(62) Indem die
Hyper-Links(63) den ursprünglichen
Text mit anderen Texten verweben, perforieren sie die Grenze, die ihn von
den anderen Texten ursprünglich trennt, und Landow folgert daraus,
daß Textgrenzen insgesamt obsolet würden.(64)
Auch wenn dies zweifellos nicht der Fall ist,(65)
lenken Hypertextsysteme den Blick in neuer Weise auf 'background and contextual
materials' und somit den intertextuellen Raum. Damit ergibt sich eine auffällige
Entsprechung zu der erhöhten Aufmerksamkeit, die die Literaturtheorie
in den letzten Jahren für die Intertextualität entwickelt hat;
Hypertextsysteme erscheinen als eine Möglichkeit, intertextuelle Bezüge,
die bis dahin latent waren, in manifeste Bezüge - in Links eben -
zu überführen, und damit Strukturen nachzuzeichnen, die quer
zu den linearen Syntagmen die verschiedenen Texte immer schon verbinden.
Und diese Bezüge nun greifen weit in den diskursiven Raum hinaus.
Nachdem Hypertextprogramme zunächst auf einzelne Rechner und Projekte
eingeschränkt waren, gibt es mit dem 'World Wide Web' inzwischen ein
System, das ähnlich strukturiert, den gesamten Globus umspannt. Eine
Unzahl von Rechnern, Dateien und Projekten ist durch Links miteinander
verbunden, die aus der Mitte von Texten hinaus auf andere Texte, Rechner
oder Projekte zeigen. Folgt man dem Link, schaltet das System auf den jeweils
neuen Rechner um und allein eine geringe Zeitverzögerung zeigt an,
daß die Lektüre nun an einem anderen geographischen Ort fortgesetzt
wird.
Daß sich auf diese Weise tatsächlich verschiedene Netz-
Definitionen überlagern(66)
und das physikalisch-geographische Kabelnetz mit dem inhaltlich/semantischen
Netzwerk der Links und Verweise vollständig verschmilzt, macht wahrscheinlich
den Kern (und das besondere Problem) der gegenwärtigen Netz- Begeisterung
aus. "Everything is deeply intertwingled", die Formel, die Bush
in die Debatte einbrachte und die Nelson 1974 zitiert,(67)
ist zu einer Art Credo geworden; daß sie - paradox - sowohl das Problem
als auch die anvisierte Lösung bezeichnet, weist ein weiteres Mal
darauf hin, daß sich die Wünsche von den Realitäten noch
nicht völlig geschieden haben.
Und wenn Coy schließlich schreibt: "The global net is the
computer",(68) so macht er
den entscheidenden Maßstabssprung in der tatsächlichen Implementierung
wie in der theoretischen Aufmerksamkeit deutlich. Gleichzeitig aber vernachlässigt
die Formulierung die Differenz, die zwischen dem einzelnen Projekt (dem
einzelnen Rechner) und dem globalen Netz als einer naturwüchsig-unbeherrschbaren
Geamtstruktur nach wie vor besteht. Dies eröffnet die Gefahr, daß
Hoffnungen auf Transparenz und Beherrschbarkeit von den einzelnen Projekten
auf das Netz als ganzes projiziert werden. Die Netzmetapher selbst jedenfalls
scheint Grenzziehungen eigentümlich schwierig zu machen und zumindest
einen Teil ihrer Faszination exakt dieser Tatsache zu verdanken.
Der dritte und tatsächlich entscheidende Punkt aber ist ein anderer.
Für nahezu alle Autoren nämlich steht fest, daß die neue
Signifikantenanordnung eine Annäherung an die Struktur des menschlichen
Denkens bedeutet. Und im Mittelpunkt dieser These steht - der Begriff der
Assoziation.
"Assoziative Denkstrukturen in die Apparatur zu verlagern, erschien
als ein Vorhaben wirrer Programmierer, die hartnäckig an den Bedürfnissen
des Marktes vorbei, an Lösungen für Probleme arbeiteten, die
es noch nicht gab."(69) Mit
den Hypertextsystemen aber beginnt diese Utopie Wirklichkeit zu werden;
"die vernetzte Struktur von Hypertexten kommt assoziativen Gedankenoperationen
entgegen"(70) oder, so könnte
man ergänzen, vollzieht diese mit technischen Mitteln nach; und in
letzter Instanz, schreiben Idensen/Krohn, hat die neue Technik eine "Transformation
assoziativer Ideen in reale, verknüpfbare Objektdateien"(71)
zum Ziel.
Der Begriff der Assoziation wurde bereits 1945 von Vannevar Bush ins
Gespräch gebracht.(72) In
einer häufig zitierten Technikutopie(73)
beschreibt er zunächst, daß die Wissenschaft an der schlichten
Fülle der gesammelten Informationen zu scheitern droht; Probleme der
Selektion und des Zugriffs rücken deshalb in den Vordergrund, und
es wird deutlich, daß der traditionelle Zugriff über Indizes
das Problem nicht lösen kann. Und nun wird der Bezug auf das menschliche
Gehirn wichtig:
"Our ineptitude in getting at the record is largely caused by the
artificiality of systems of indexing. [...] The human mind does not work
that way. It operates by association. With one item in its grasp, it snaps
instantly to the next that is suggested by the association of thoughts,
in accordance with some intricate web of trails carried by the cells of
the brain. [...] Man cannot hope fully to duplicate this mental process
artificially, but certainly ought to be able to learn from it. [...] The
first idea, however, to be drawn from the analogy concerns selection. Selection
by association, rather than by indexing, may yet be mechanized. One cannot
hope thus to equal the speed and flexibility with which the mind follows
an associative trail, but it should be possible to beat the mind decisively
in regard to the permanence and clarity of the items resurrected from storage."(74)
Auf dieser Basis nun entwirft Bush eine Maschine, die eine 'assoziative'
Speicherung ermöglichen soll. Sie muß zunächst alle Texte
enthalten, die für den Benutzer wichtig sind. Um einen schnellen Zugriff
zu gewährleisten, stellt sich Bush eine Speicherung auf Mikrofilm
vor, sowie eine Projektion, die die parallele Darstellung verschiedener
Texte erlaubt. Zwischen diesen Texten nun, und dies ist die entscheidende
Neuerung, kann der Benutzer Querbezüge etablieren: "This is the
essential feature [...]. The process of tying two items together is the
important thing. [...] The user taps a single key, and the items are permanently
joined. [...] when numerous items have been thus joined together to form
a trail, they can be reviewed in turn, rapidly or slowly, by deflecting
a lever like that used for turning the pages of a book.
It is exactly as though the physical items had been gathered together
from widely separated sources and bound together to form a new book. It
is more than this, for any item can be joined into numerous trails."(75)
Eine Hypertextmaschine also, entworfen mit dem expliziten Bezug auf die
Assoziationsfähigkeit des menschlichen Denkens; und Bolz sagt entschlossen:
"Damit
tritt das assoziative Denken des Alltags ins Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit ein."(76)
Aber ist dieser Konnex tatsächlich plausibel? Man wird sich zunächst
klarmachen müssen, daß der Bezug auf den Begriff der Assoziation
eine Reinterpretation - eine weitere Reinterpretation - der Netzmetapher
bedeutet. Eigentümlich kurzschlüssig wird eine psychologische
Kategorie auf eine Technik bezogen; mit der Netzmetapher als einer dritten,
vermittelnden Instanz, ohne daß geprüft werden könnte,
ob die Netzmetapher in beiden Sphären tatsächlich die gleiche
Rolle spielt.
Und umgekehrt: Füllt die Metapher des Netzes den psychologischen
Assoziationsbegriff tatsächlich aus? Hat die Psychologie nicht immer
auch von Assoziationen gesprochen, die bildhaft, verschwommen, überdeterminiert,
flüchtig oder unartikulierbar waren? Assoziationen, denen keineswegs
ein distinktiv-linearer oder netzförmig/multilinearer Charakter zugeschrieben
werden kann. Ein weiteres Mal scheint über menschliche Denkvorgänge
viel zu wenig bekannt, als daß 'das assoziative Denken´ (und
sei es ´des Alltags´) eine sinnvolle Folie für technische
Implementierungen darstellen könnte.
Wie aber kann es dann zu der beschriebenen Einhelligkeit kommen? Meine
Behauptung ist, daß nicht Assoziationen allgemein, sondern eine Untergruppe,
die sprachlichen Assoziationen nämlich, bei der Modellbildung Pate
gestanden haben. Die Netzmetapher setzt bereits voraus, was die Sprache
als eine distinktive Kraft in das Denken überhaupt erst hineinträgt;
nicht unser Denken ist netzförmig/distinktiv, sondern allenfalls unser
sprachlich-semantisches System; Denken und Sprache also sind keineswegs
koextensiv, so wenig, wie die Netzmetapher und der Assoziationsbegriff
in jedem Fall zusammenfallen.
Der erste Schritt besteht darin, den Kurzschluß zwischen 'dem'
Denken und 'dem' Computer (ein weiteres Mal) zurückzuweisen. Das neue
Signifikationssystem statt dessen auf die Sprache zu beziehen, hat den
Vorteil, daß es sich in beiden Fällen um symbolische Systeme
handelt, was die Chance eröffnet, nun konkrete materielle Parallelen
und konkrete Unterschiede aufzufinden.
Der zweite Schritt ist ungleich komplizierter. Nun nämlich liegen
die Voraussetzungen bereit, die beschriebenen Äußerungen als
Ausdruck einer in sich kohärenten Wunschstruktur zu rekonstruieren.
Tatsächlichen Sinn, dies ist die These, machen diese Äußerungen
erst, wenn man den Schmerz lokalisiert, den sie eliminieren wollen. Daß
sich an die neuen Maschinen derart emphatische Hoffnungen knüpfen,
so meine ich, wäre rätselhaft, wenn sie nicht mehr versprechen
würden als ein Zeichensystem, das das subjektive Denken vollkommener
imitiert als die Schrift. Weder die imitative Verdopplung des Denkens wäre
für sich genommen attraktiv, noch die Vollkommenheit - all dies deutet
darauf hin, daß es eine andere Hoffnung und ein andere Utopie ist,
die das neue Medium trägt.
Dem Einwand, der Rahmen dieser Deutung sei zu groß gewählt,
wird nur durch eine beharrliche Argumentation im Fortgang des vorliegenden
Textes zu begegnen sein. Bereits an dieser Stelle aber dürfte deutlich
sein, daß die These, so grob sie einstweilen ist, tatsächlich
etwas erschließt: Nun nämlich werden Äußerungen lesbar,
die ansonsten rätselhaft erscheinen müßten. Wenn Idensen/Kron
gesagt hatten, es gehe um die 'Transformationen assoziativer Ideen in reale,
verknüpfbare Objektdateien' oder darum, 'assoziative Denkstrukturen
in die Apparatur zu verlagern,' so thematisieren sie die Grenze zwischen
Innen und Außen und ihre Überschreitung in der 'Externalisierung'
klar; gleichzeitig aber läßt die Formulierung eigentümlich
offen, was zu dieser Externalisierung eigentlich treibt; das neue Medium
erscheint als eine neue luxurierende Möglichkeit, keineswegs aber
als ein Muß oder auch nur als die Antwort auf eine Frage. Es bleibt
rätselhaft, was das eigentliche Gegenüber ist, gegen das die
die neuen textuellen Strukturen antreten.
Und wieder ist es Bolz vorbehalten, der Utopie tatsächlich die
Stimme zu leihen, in fast naiver Weise identifiziert, im Klartext und ohne
Rücksicht auf die mögliche Absurdität:
"Hypertext macht
explizit, was lineare Schriften noch der hermeneutischen Arbeit auflasten
[...]. Der gesamte hermeneutische Gehalt eines Texts ist in der Verzweigungsstruktur
seiner elektronischen Darstellung manifest."(79)
Damit ist es heraus. Das neue Medium verspricht ein Grauen zu eliminieren.
Das Grauen vor der Tatsache, daß Texte grundsätzlich auslegbar
sind, und ihr hermeneutischer Gehalt eben nie 'manifest'. Der hermeneutische
Gehalt - und zwar der 'gesamte' - soll aus seinem doppelt unheimlichen
Sitz befreit werden, aus dem Dunkel der Köpfe und aus der Dispersion
über die verschiedenen Individuen und Deutungen, und überführt
in den luziden Außenraum, in dem er einer Deutung nicht mehr bedarf.
In dieser Bestimmung ist tatsächlich die Differenz aufgehoben.
Der Text hat kein Gegenüber mehr, das ihn unter- oder überbieten
könnte; Texte treffen nicht mehr auf Köpfe oder auf die Sprache,
sondern ruhen in sich, und was als eine irritierende Interaktion sich an-
und immer weiter fortgesponnen hatte, ist im Handstreich nach einer Seite
hin entschieden und wie der Schmetterling auf der Nadel endlich stillgestellt.
Und hier nun wird eine zweite entscheidende Bestimmung der Externalisierung
deutlich. Im Kern geht es darum, die Differenz zwischen Text und Sprache
zu eliminieren, d.h. die Differenz, die das Sprechen von der Sprache grundsätzlich
trennt. Und dies ist die zweite Formel, die ich zur Deutung des neuen Mediums
vorschlagen möchte.
Nimmt man den Bolzschen Satz ernst, hieße er, übersetzt
in die nach-Saussuresche Terminologie, daß nun syntagmatisch wird,
was bis dahin paradigmatisch gewesen ist; daß die neue Signifikantenanordnung
den Aufbau n-dimensionaler Netze erlaubt, macht nicht den Aufbau komplexerer
Texte möglich, sondern bewirkt, daß die Grenze zwischen den
Texten und der Sprache niederbricht. Denn die Formulierung hat eine Totalisierung
zur Voraussetzung: Nur wenn es gelingt, tatsächlich die Totalität
der Sprache in 'manifeste' Verweisstrukturen zu überführen, kann
der hermeneutische Gehalt in seiner 'Gesamtheit' manifest werden; und dies
ist nur möglich, wenn der einzelne Hypertext in einem (globalen?)
Makrotext aufgeht, der die Sprache in ihrer vollen Extension ersetzen will
und schließlich ersetzt.
Und noch einmal: Die Bolzsche Formulierung wäre irrelevant, spräche
sie nicht aus, was eine Fülle anderer Texte als eine unausgesprochene
Perspektive implizieren. Sie ist interessant, insofern sie den sehr exponierten
Punkt bezeichnet, von dem aus ein ganzes Terrain, eine Wunschkonstellation
eben, einsehbar wird; entsprechend wenig wäre gewonnen, allein die
exponierte Formulierung als absurd und als eine 'Übertreibung' zurückzuweisen.
Daß die Spaltung der Sprache einen tatsächlichen Schmerz
darstellt, daß die Medienentwicklung an der Linie dieses Schmerzes
sich vollzieht und daß das neue Medium ihn mit tatsächlich letzter
Entschlossenheit aus der Welt schaffen will, - all dies sind Bestimmungen,
die eine ganze Landschaft von Folgefragen eröffnen. Es wird zu zeigen
sein, daß sich von hier aus Bezüge zur Gedächtnistheorie,
zur Texttheorie und zur Techniktheorie ergeben und das neue Medium Seiten
zeigt, die von einem anderen Punkt aus nicht in den Blick genommen werden
können.
Die These einer 'Externalisierung der Sprache' wird in all diesen Recherchen
zentral bleiben, und ebenso die zweite, daß es darum geht, die Differenz
zwischen Sprache und Sprechen zu eliminieren; beides sind Formulierungen,
die nur als utopische überhaupt Sinn machen. Nur wenn man ihren unmöglichen
Charakter von vornherein zugesteht, können sie als Formulierungen
einer Wunschkonstellation arbeiten. Arbeiten wie die Wunschkonstellationen
selbst, die, ihrer realen Unmöglichkeit zum Trotz, um so realere Wirkungen
entfalten.
Anmerkungen:
(1) Derrida, Jacques: Grammatologie. Frankfurt/M. 1983, S. 155 (OA., frz.: 1967). zurück
(2) Kittlers sehr plastischer Begriff für die Speichermedien. zurück
(3) Eine kurzgefaßte Darstellung der These findet sich in: Grimminger, Rolf: Der Sturz der alten Ideale. Sprachkrise und Sprachkritik um die Jahrhundertwende. In: Funkkolleg Literarische Moderne. Studienbrief 3, Tübingen 1993, S. 4-31. zurück
(4) Nietzsche, Friedrich: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn. In: Werke, Bd. 5, München/Wien 1980, S. 309-322 (OA.: 1873). zurück
(5) Es ist dies die 'phonozentristische' Tradition,
die von Platons 'Phaidros' ausgeht und die Derrida in der Grammatologie
rekonstruiert.
Ein Kurzreferat der traditionellen, schrift-kritischen Positionen enthält:
Assmann, Aleida: Exkarnation. Gedanken zur Grenze zwischen Körper
und Schrift. In: Huber, Jörg; Müller, Alois Martin (Hg.): Raum
und Verfahren. Basel/Frankfurt 1993, S. 133-155. zurück
(6) Warum z.B. nicht im Medium Fernsehen philosophieren, wenn Nietzsche sogar den Hammer als Medium der Philosophie nicht ausgeschlossen hatte... zurück
(7) Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 154 (Erg. H.W.). zurück
(8) McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters. Düsseldorf/Wien 1968 (OA., am.: 1962). zurück
(9) Das Fernsehen ist für McLuhan zentral, immer
wieder aber finden sich auch Hinweise auf die Computer (siehe etwa: McLuhan,
Marshall: Die magischen Kanäle. 'Understanding Media'. Düsseldorf-Wien
1968, S. 62, 386ff (OA., am.: 1964)).
Die Vermischung beider Sphären hat sich bis heute etwa im Begriff
der 'Screenmedia' halten können. zurück
(10) Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis. Die neuen Kommunikationsverhältnisse. München 1993. zurück
(11) - Kittler, Friedrich: Die Welt des Symbolischen
- eine Welt der Maschine. In: ders.: Draculas Vermächtnis. Technische
Schriften. Leipzig 1993, S. 58-80;
- Tholen, Georg Christoph: Platzverweis. Unmögliche Zwischenspiele
zwischen Mensch und Maschine. In: Bolz, Norbert; Kittler, Friedrich; Tholen,
Christoph (Hg.): Computer als Medium. München 1994, S. 111-135. zurück
(12) "Erst die zeitliche Topik der Zeichenverkettung des von Turing kongenial entworfenen Papierbandes, welches nur mit den zwei alphabetisch willkürlichen Symbolen 0 und 1, d.h. genauer: vermittels der Alternanz ihrer Anwesenheit und Abwesenheit, beschrieben ist, vermag als sinnaufschiebendes Spiel der Verweisung jedwede essentielle Bestimmung von Mensch und Maschine zu durchkreuzen." (Tholen, a.a.O., S. 118f). zurück
(13) Eine differenziertere Auseinandersetzung mit diesen Modellen findet sich im sechsten Kapitel dieser Arbeit. zurück
(14) In seiner kritisch- zusammenfassenden Darstellung unterscheidet Dreyfus zwei Phasen in der Geschichte der KI: die Phase der kognitiven Simulation (1957-62) und die der semantischen Informationsverarbeitung (1962-67). Daraus läßt sich ablesen, daß in der KI ein Paradigmenwechsel sich vollzogen hat von der Gehirnmetapher zur Sprachmetapher (Dreyfus, Hubert L.: Was Computer nicht können. Die Grenzen künstlicher Intelligenz. Frankfurt/M. 1989 (OA., am.: 1972)); und Rötzer summiert: "...daß in den Computersimulationen der künstlichen Intelligenz eben die Semantik am meisten Schwierigkeiten macht." (Rötzer, Florian: Mediales und Digitales. Zerstreute Bemerkungen und Hinweise eines irritierten informations- verarbeitenden Systems. In: ders. (Hg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien. Frankfurt/M. 1991, S. 52). zurück
(15) Minskys Buch Mentopolis markiert die Grenze als eines der letzten Semantikmodelle, die die KI entwickelt hat; danach nimmt die KI die Argumentation ihrer Kritiker auf und geht von Problemen der Sprache vor allem auf Probleme des Lernens über... (Minsky, Marvin: Mentopolis. Stuttgart 1990, S. 196ff, 261ff (OA., am.: 1985)). zurück
(16) Am bekanntesten sind Minskys 'Frames', daneben der Begriff der 'Szenen'. zurück
(17) Flusser, Vilém: Die Schrift. Frankfurt/M. 1992, S. 11 (OA.: 1987) (Erg. H.W.; im Original: dieser ersten Betrachtung). zurück
(18) "Was die Sprache von allen anderen Zeichen
trennt und ihr gestattet, in der Repräsentation eine entscheidende
Rolle zu spielen, ist also nicht so sehr ihr individueller oder kollektiver,
natürlicher oder arbiträrer Charakter, sondern die Tatsache,
daß sie die Repräsentation nach einer notwendig sukzessiven
Ordnung analysiert: die Laute sind in der Tat nur jeder für sich artikulierbar.
Die Sprache kann den Gedanken nicht mit einem Schlag in seiner Totalität
darstellen. Sie muß ihn Teil für Teil nach einer linearen Ordnung
anlegen." (Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Frankfurt/M. 1974,
S. 119 (im Orig.: nicht sosehr) (OA., frz.: 1966)).
Daß Foucault die mündliche Sprache als Beispiel wählt,
zeigt, daß nicht nur die Schrift dem Prinzip der linearen Anordnung
folgt. zurück
(19) Locke, John: Versuch über den menschlichen Verstand. Hamburg 1981, Bd. 1, S. 167 (OA., engl.: 1690). zurück
(20) Flusser sieht hier eine Verbindung zum Prinzip der Analyse und des Ordnens allgemein (a.a.O., S. 10ff); zum Begriff der Verräumlichung siehe: Derrida, Grammatologie, a.a.O., S. 153. zurück
(21) Zum Problem der Linearität siehe auch:
- Friedrich, Johannes: Geschichte der Schrift. Unter besonderer Berücksichtigung
ihrer geistigen Entwicklung. Heidelberg 1966, S. 44, 62, 66, 160, 220.
- Goody, Jack; Watt, Ian; Gough, Kathleen: Entstehung und Folgen der
Schriftkultur. Frankfurt/M. 1991, S. 116, 132 (OA., am.: 1968).
- Ong, Walter J.: Oralität und Literalität. Die Technologisierung
des Wortes. Opladen 1987, S. 101, 124, 142, 147f (OA., am.: 1982).
- Derrida, Jacques: Die Schrift und die Differenz. Frankfurt/M. 1976,
S. 308, 326, 333, 334f, 341f (OA., frz.: 1967).
- Flusser, Die Schrift, a.a.O., S. 7, 10f, 24, 33, 35, 44, 47, 104,
109f, 128, 135. zurück
(22) Ein sehr einfaches Beispiel für das Auftreten nicht-sequentieller Formen sind zwei Romane, die es dem Leser freistellen, in welcher Reihenfolge er die Kapitel liest: Cortázar, Julio: Rayuela. Himmel und Hölle. Frankfurt/M. 1987 (OA.: 1963) und Pavi, Milorad: Das chasarische Wörterbuch. Lexikonroman. München 1991 (OA., serbo-kroat.: 1984). zurück
(23) So beschreibt Bolz, daß innerhalb der
Musik das Gewicht von der Melodieführung auf den 'Sound' übergeht,
und macht diesen Umschwung an Nietzsches Wagnerkritik deutlich: "Wagner
verkenne die 'Optik' der eigenen Arbeit. Seine Meisterstücke seien
in der Tat Stückwerk, 'oft nur Einen Takt lang': musikalische Sonden
ins 'Mikroskopische der Seele'; musikalische Schöpfungen aus Nichts,
jenseits der Kausalität, als Augenblicke 'allerkürzesten Geniessens'.
[...] 'Mosaik-Effekt' [...]. 'Dieses Beseelen, Beleben der kleinsten Redeteile
der Musik [...] ist ein typisches Verfalls-Symptom, ein Beweis dafür,
daß sich das Leben aus dem Ganzen zurückgezogen hat und im Kleinsten
luxuriert. Die 'Phrasierung' wäre demnach die Symptomatik eines Niedergangs
der organisierenden Kraft: anders ausgedrückt: der Unfähigkeit,
große Verhältnisse noch rhythmisch zu überspannen'. [...]
'Die Farbe des Klangs entscheidet hier; was erklingt, ist beinahe gleichgültig.'"
(Bolz, Norbert: Theorie der neuen Medien. München 1990, S. 37ff).
Oder McLuhan: "Gemäß Mellers bestand die Rolle der Polyphonie
darin, daß sie die alte monodische Linie zerstörte." (McLuhan,
Gutenberggalaxis, a.a.O., S. 272). zurück
(24) McLuhan, Gutenberg-Galaxis, a.a.O., S. 339; McLuhan zitiert einen Text von Whittaker (1948). zurück
(25) Landow, George P.: Hypertext. The Convergence
of Contemporary Critical Theory and Technology. Baltimore 1992, S. 81;
oder Derrida selbst: "Das rätselhafte Modell der Linie ist
also gerade das, was die Philosophie, als sie ihren Blick auf das Innere
ihrer eigenen Geschichte gerichtet hielt, nicht sehen konnte. Diese Nacht
hellt sich in dem Augenblick ein wenig auf, wo die Linearität - die
nicht der Verlust noch die Abwesenheit, sondern die Verdrängung des
mehrdimensionalen symbolischen Denkens ist - ihre Unterdrückung lockert
[...] mit dem massiven Wiederauftreten der nicht-linearen Schrift"...
(D., Grammatologie, a.a.O., S. 153f, siehe auch S. 151ff). zurück
(26) Bolz, Norbert: Zur Theorie der Hypermedien. In: Huber, Jörg; Müller, Alois Martin (Hg.): Raum und Verfahren. Basel/Frankfurt 1993, S. 18. zurück
(27) Ebd., S. 19. zurück
(28) Flusser, Die Schrift, a.a.O., S. 17 (Erg. H.W.). zurück
(29) Ebd., S. 18. zurück
(30) Die Schriftgeschichte ist eines der strittigsten Themen innerhalb der Mediengeschichtsschreibung und derzeit ist vollständig unklar, ob die abstrakten Schriften sich aus ikonischen Schriftsystemen entwickelt haben oder aus immer schon abstrakten Zähl- und Markierungssystemen; in beiden Fällen jedoch ist die Konfrontation mit den Bildern plausibel... zurück
(31) Auch die Neuro-Wissenschaften haben zu dieser Frage bisher wenig Gewißheiten beisteuern können. zurück
(32) De Saussure, Ferdinand: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin 1967 (OA., frz.: 1916). zurück
(33) "Stets sucht wer eine Erinnerung hervorrufen will, zunächst nach einem Faden, an dem sie durch die Gedankenassociation hängt. [...] Im Grund beruht unser unmittelbares, d. h. nicht durch mnemonische Künste vermitteltes, Wortgedächtniß, und mit diesem unsere ganze Sprachfähigkeit, auf der unmittelbaren Gedankenassociation." (Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Zürich 1977, S. 155f (OA.: 1844)). zurück
(34) "Die Beziehungen [...] zwischen sprachlichen
Gliedern gehen in zwei verschiedenen Sphären vor sich, [...] sie entsprechen
zwei Arten unserer geistigen Tätigkeit, die beide für das Leben
der Sprache unentbehrlich sind. Einerseits gehen die Worte infolge ihrer
Verkettung beim Ablauf irgendwelcher Aussagen Beziehungen unter sich ein,
die auf dem linearen Charakter der Sprache beruhen, der es unmöglich
macht, zwei Elemente zu gleicher Zeit auszusprechen. [...] Sie reihen sich
eins nach dem andern in der Kette des Sprechens an, und diese Kombinationen,
deren Grundlage die Ausdehnung ist, können [...] Syntagmen genannt
werden. [...]
Andererseits aber assoziieren sich außerhalb des gesprochenen
Satzes die Wörter, die irgend etwas unter sich gemein haben, im Gedächtnis
[...]. Man sieht, daß diese Zusammenordnungen von ganz anderer Art
sind als die ersteren; sie sind nicht von der Zeiterstreckung getragen;
ihr Sitz ist im Gehirn; sie sind Teile jenes inneren Schatzes, der bei
jedem Individuum die Sprache bildet. Wir wollen sie assoziative Beziehungen
nennen.
Die syntagmatische oder Anreihungsbeziehung besteht in praesentia:
sie beruht auf zwei oder mehreren in einer bestehenden Reihe neben einander
vorhandenen Gliedern. Im Gegensatz dazu verbindet die assoziative Beziehung
Glieder in absentia in einer möglichen Gedächtnisreihe."
(Saussure, Grundfragen, a.a.O., S. 147f. Als 'paradigmatisch' sind
diese Reihen erst später bezeichnet worden, Saussure selbst nennt
sie ausschließlich 'assoziativ'). zurück
(35) Ebd., S. 137f. zurück
(36) Eine zusammenfassende Darstellung der im folgenden zitierten Semantikmodelle findet sich bei: Lyons, John: Semantik. Bd. 1, München 1980, S. 259ff (OA., am.: 1977). zurück
(37) Ebd., S. 289. zurück
(38) Ebd., S. 301. zurück
(39) Ebd., S. 327. zurück
(40) Dies ist der Einwand vor allem der Theorien der 'direkten Referenz', wie sie in der Tradition der sprachanalytischen Philosopie in den USA entstanden sind. zurück
(41) "Die Voraussetzung, daß die naive dreidimensionale Geometrie mit der Struktur des Raums übereinstimmt oder sie sogar festlegt, wie beispielsweise noch Immanuel Kant behauptete, mußte aufgegeben werden, sobald man erkannt hatte, daß nichteuklidische Geometrien für den Raum ebenso grundlegend sein können wie die euklidische. Der Begriff des beliebigdimensionalen Raums n wurde zuerst von dem französischen Mathematiker Joseph Louis Lagrange (1736- 1813) gebraucht. Bereits Carl Friedrich Gauß (1777-1855) hielt eine Geometrie von mehr als drei Dimensionen für möglich." (Glaser, Peter: Das Innere der Wir-Maschine. In: Waffender, Manfred (Hg.): Cyberspace. Ausflüge in virtuelle Wirklichkeiten. Reinbek 1991, S. 229). zurück
(42) Die Vorstellung betrachtet die syntagmatische Anreihung als ein reines Nacheinander, spart die syntaktische Strukturierung also aus. zurück
(43) - Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. In: Studienausgabe,
Bd. 2, Frankfurt/M. 1972 (OA.: 1900);
- ders.: Zur Psychopathologie des Alltagslebens. Über Vergessen,
Versprechen, Vergreifen, Aberglauben und Irrtum. Frankfurt/M. 1993 (OA.:
1904). zurück
(44) Freud, Zur Psychopathologie, a.a.O., S. 13ff. zurück
(45) Ebd., S. 16. zurück
(46) Lacan, Jacques: Das Drängen des Buchstabens im Unbewußten oder die Vernunft seit Freud. In: ders.: Schriften. Bd. 2, Olten 1975, S. 27ff (Erg. H.W.) (OA., frz.: 1957). zurück
(47) Ich habe an anderer Stelle zu zeigen versucht, daß der Begriff der Konnotation damit seine Bedeutung ändert und innerhalb der Bedeutungstheorie wichtiger werden könnte (W., H.: Metapher, Kontext, Diskurs, System. In: Kodikas/Code. Ars Semeiotika. An International Journal of Semiotics. Vol. 12, 1989, Nr. 1/2, S. 21-40). zurück
(48) Siehe auch zur Mnemotechnik der mittelalterlichen
Klöster:
"Die oratio trägt dazu bei, die Worte der Schrift im Geist
zu durchtränken; verbale Echos können dann in solchem Maße
das Gedächtnis erregen, daß eine bloße Anspielung auf
ein Bibelwort genügt, um spontan ganze andere Passagen aus andern
Stellen der Bibel aufzurufen. Diese Wörter wurden als 'Haken' beschrieben,
die sich mit einem oder mehreren andern verhaken, schließlich eine
Kette bilden und das Gewebe der Gedankenassoziationen des Mönchs bilden.
Wenn ein Mönch schreibt, wird seine Schrift schon im Entwurf gänzlich
von diesen weit ausgreifenden Reminiszenzen dominiert." (Coleman, Janet:
Das Bleichen des Gedächtnisses. St. Bernhards monastische Mnemotechnik.
In: Haverkamp, Anselm; Lachmann, Renate (Hg.): Gedächtniskunst. Raum
- Bild - Schrift. Frank- furt/M. 1991, S. 208.)
Das ehrwürdige Oxford English Dictionary (OED) geht denselben
Weg, wenn es zu vielen Begriffen Belegstellen aus historischen, philosophischen
oder literarischen Texten anführt. zurück
(49) Lacan, Das Drängen..., a.a.O., S. 29. zurück
(50) Bühler, Karl: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Jena 1934, S. 184. zurück
(51) "Uns interessiert das Gewebe, [...] das Netz [...]. Wie aber ein Netz ausmachen? Indem man wiederkehrt, zurückkehrt, seinen Weg kreuzt, indem es immer zu derselben Überschneidung kommt". (Lacan, Jacques: Unbewußtes und Wiederholung. In: ders.: Das Seminar, Buch XI. Olten 1980, S. 51 (OA., frz.: 1964). zurück
(52) "Freud deduziert aus seiner Erfahrung die Notwendigkeit einer absoluten Trennung von Wahrnehmung und Bewußtsein - damit etwas in die Erinnerung eingeht, muß es zuerst in der Wahrnehmung gelöscht sein, und umgekehrt. [...] Was aber wäre das - wenn nicht die Signifikantensynchronie." (Ebd., S. 52). zurück
(53) "In diesen Artikulationen bei Freud [finden wir] einen unzweideutigen Hinweis dafür [...], daß es sich bei dieser Synchronie nicht bloß um ein aus Zufalls- oder Kontiguitätsassoziationen gebildetes Netz handelt. Die Signi- fikanten vermochten sich simultan nur zu konstituieren auf Grund einer streng definierten Struktur der konstituierenden Diachronie. Die Diachronie ist gerichtet durch die Struktur." (Ebd. (Erg. H.W.)). zurück
(54) "hyper- [...] in Zssgn hyper..., super..., über..., 'übermäßig." (Langenscheids Handwörterbuch Englisch. Berlin/München/.. 1987, S. 311). zurück
(55) Die entsprechenden Programme helfen sich, indem sie sogenannte 'Views' anbieten, die jeweils zwei Dimensionen der Datenstruktur auf den Bildschirm bringen; die n-dimensionale Datenstruktur also wird in mehrere unabhängige Tabellen aufgeteilt... zurück
(56) Wenn hier auch bereits Unterschiede in der Zugriffszeit
zu einer relevanten Größe werden. zurück
(57) Bolz, Am Ende der Gutenberggalaxis, a.a.O.,
S. 207f (im Original: für jene komplexe Theorie des Komplexen). zurück
(58) Das Problem, daß kürzere Textbausteine wiederum nur durch Dekontextualisierung zu gewinnen sind, wird bei Bolz angesprochen. zurück
(59) Zum Hypertext siehe zusätzlich:
- Idensen, Heiko; Krohn, Matthias: Bild-Schirm-Denken. Manual für
hypermediale Diskurstechniken. In: Bolz/Kittler/Tholen (Hg.), Computer
als Medium, a.a.O., S. 245-266.
- dies.: Kunst-Netzwerke: Ideen als Objekte. In: Rötzer, Florian
(Hg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien. Frankfurt/M.
1991, S. 371-396. zurück
(60) Siehe zum Beispiel mit einer geradezu unerträglichen
Mischung aus Autoritätsbezug und Überhebung Bolz:
"Man kann Marshall McLuhans Medientheorie und Walter Benjamins Passagenwerk
als Versuche begreifen, der neuen Medienwelt darstellungstechnisch gerecht
zu werden. Es sind keine Bücher mehr, sondern Mosaike aus Zitaten
und Gedankensplittern - Schreiben wie Kino. So versucht das Medium Buch,
mit der simultanen Wahrnehmung Schritt zu halten. Doch, bemerkt Nam June Paik, auch ein radikaler Experimentalschriftsteller wie 'der arme Joyce
war gezwungen, die parallel weiterlaufenden Geschichten in einem Buch mit
Einbahn-Richtung zu schreiben, wegen der Buch-Ontologie'. Diese Versuche,
Bücher zu schreiben, die die Buchform sprengen, sind gerade in ihrem
Scheitern lehrreich. Offensichtlich ist das Informationsverarbeitungssystem
Buch der Komplexität unserer sozialen Systeme nicht mehr gewachsen.
[...] Deshalb organisieren Autoren, die das wissen und doch Autoren bleiben
wollen, ihre Bücher nach Strukturen und Mustern, die sie nicht- linearen
Informationsverarbeitungssystemen entwendet haben. So sind Wittgensteins
Philosophische Untersuchungen Hypertext avant la lettre - eine Zick-Zack-Reise
über Gedankenfelder. Er konnte die extrem komplizierten Beziehungen
seiner philosophischen Bemerkungen nur noch durch rigorose Verknüpfung
mit einem Zahlennetzwerk deutlich machen. Wird diese intensive Verknüpfung
nun noch vom Einheitsphantom eines eigenen Gedankenfeldes befreit, so entsteht
Intertextualität: ein differentielles Netzwerk von Textspuren, die
endlos auf andere verweisen. Ein klares, wenn auch im Effekt eher bescheidenes
Beispiel hierfür bietet die Intertextualität der Hegel-/Genet-
Kolumnen in Derridas Glas. Sehr viel weiter entwickelt ist die Hypertext-Strategie
in Mille Plateaux von Deleuze und Guattari"... (Bolz, Zur Theorie der
Hypermedien, a.a.O., S. 17f). zurück
(61) Landow, Hypertext, a.a.O., S. 2. zurück
(62) Ebd., S. 126. zurück
(63) - die erwähnten Querverweise - zurück
(64) Ebd., S. 35ff. zurück
(65) Das Verschwinden von Textgrenzen ist mehr als unwahrscheinlich, vor allem weil der Diskurs auf Gliederungen angewiesen ist und in jedem Fall Ersatzstrukturen sich herstellen werden; siehe Teil 2 dieser Arbeit. zurück
(66) "At least four meanings of network appear in descriptions of actual hypertext systems and plans for future ones. First, individual print works when transferred to hypertext take the form of blocks, nodes, or lexias joined by a network of links and paths. [...] Second, any gathering of lexias, whether assembled by the original author of the verbal text or by someone gathering together texts created by multiple authors, also takes the form of a network; thus document sets, whose shifting borders make them in some senses the hypertextual equivalent of a work, are called in some present systems a web. Third, the term network also refers to an electronic system involving additional computers as well as cables or wire connections [...]. The fourth meaning of network in relation to hypertext comes close to matching the use of the term in critical theory. Network in this fullest sense refers to the entirety of all those terms for which there is no term and for which other terms stand until something better comes along, or until one of them gathers fuller meanings and fuller acceptance to itself: 'literature,' 'infoworld,' 'docuverse,' in fact 'all writing' in the alphanumeric as well as Derridean senses. The future wide area networks necessary for large scale, interinstitutional and intersite hypertext systems will instantiate and reify the current information worlds, including that of literature. To gain access to information, in other words, will require access to some portion of the network. To publish in a hypertextual world requires gaining access, however limited, to the network." (Landow, Hypertext, a.a.O., S. 23f). zurück
(67) Nelson, Theodor H.: Computer Lib - Dream Machines.
Michigan 1983, S. DM2 (OA.: 1974). zurück
(68) Coy, Wolfgang: Aus der Vorgeschichte des Mediums
Computer. In: Bolz/Kittler/Tholen, Computer als Medium, a.a.O., S. 32.
zurück
(69) Idensen/Krohn, Kunst-Netzwerke, a.a.O., S. 377. zurück
(70) Dies., Bild-Schirm-Denken, a.a.O., S. 251. zurück
(71) Dies., Kunst-Netzwerke, a.a.O., S. 373. zurück
(72) Bush, Vannevar: As We May Think. In: The Atlantic Monthly, July 1945, S. 101-108. zurück
(73) Der Bezug auf Bush findet sich bei Coy, Bolz, Idensen/Krohn und anderen... zurück
(74) Bush, As we may think, a.a.O., S. 106. zurück
(75) Ebd., S. 107. zurück
(76) Bolz, Am Ende der Gutenberggalaxis, a.a.O., S. 215. zurück
(77) Siehe noch einmal: Assmann, Exkarnation, a.a.O. zurück
(78) Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800 1900. München 1985. Siehe ins- besondere die Abschnitte 'Herders Sprachanthropologie und der Seufzer Ach', S. 45ff und 'Dichtung als Ersatz sinnlicher Medien', S. 119ff. zurück
(79) Bolz, Am Ende..., a.a.O., S. 222.
Der Zusammenhang es zitierten Satzes lautet: "An die Stelle des
linear-sequentiellen [Lesens der Print-Medien] tritt das peripatetische
Lesen. Hypertext macht explizit, was lineare Schriften noch der hermeneutischen
Arbeit auflasten: das Netzwerk seiner Referenzen. Während lineare
Schrift suggeriert, ihre Ideen seinen homogen organisiert, ermöglicht
der elektronische Text eine Koexistenz verschiedenster Strukturen. Der
gesamte hermeneutische Gehalt eines Texts ist in der Verzweigungsstruktur
seiner elektronischen Darstellung manifest. 'A hypertext system spells
out the process of interpretation in an algorithm and embodies that process
in a programming language.'" (Erg. H.W.). zurück
(80) "Mit dem Aufkommen der Elektrotechnik schuf
der Mensch ein naturgetreues Modell seines eigenen Zentralnervensystems,
das er erweiterte und nach außen verlegte." (McLuhan, Die magischen
Kanäle, a.a.O., S. 52).
"Die elektromagnetische Technik verlangt äußerste Bereitwilligkeit
und besinnliche Ruhe vom Menschen, die ein Organismus braucht, der nun
sein Gehirn außerhalb des Schädels und seine Nerven außerhalb
der Haut trägt." (Ebd., S. 68).
"Da alle Medien Teile unserer eigenen Person sind, die zum öffentlichen
Bereich hin erweitert werden"... (Ebd., S. 290). zurück
(81) Siehe in besonderer Klarheit: Tholen, Platzverweis, a.a.O., S. 112ff. zurück